Eikrieden’s Bockmühle

Aus Dorfheimat Nordhemmern, Wilhelm Helling, 1987

Plötzlich gingen die Pferde durch. Der Gutsbesitzer von Benkhausen konnte sie nicht mehr halten. Es war möglich, daß der flimmernde Schnee und die glitzernde Sonne sie wild gemacht hatten. Der Schlitten flog auf der glatten Straße hin und her und die Leute, die das wildgewordene Gespann sahen, hielten den Atem an. Quer über die Straße hinweg lief in geringer Höhe der Drehbaum der alten Mühle und in voller Fahrt liefen die Pferde gegen ihn an.

Zuerst zitterte der hölzerne Bau, dann geriet er ins Schwanken und fiel mit lautem Krachen um, daß die zersplitterten Flügel in der ganzen Nachbarschaft herumflogen. Der Gutsherr konnte von Glück sagen, daß er nicht von seiner eigenen Mühle erschlagen wurde. Der Mann fluchte und schimpfte, aber die Mühle lag nun einmal am Boden und niemand konnte sie wieder aufrichten.

In diesem Augenblick fuhr der Bauer Heinrich Eickriede aus Nordhemmern an dem Schauplatz vorbei. Er hielt sein Fuhrwerk an und begann mit dem Gutsherrn ein Gespräch.
„Wollen sie die Mühle, so wie sie da liegt, kaufen“, fragte ihn dieser, „es ist alles prima Eichenholz.“ Der Bauer überlegte und kratzte sich am Hinterkopf.„Was soll sie kosten?“ „Achttausend Mark“, erwiderte der andere. In der nächsten Wirtschaft einigte man sich auf 7.500 Mark.

In den nächsten Tagen kamen 29 Fuhrwerke nach Isenstedt gerollt und holten die Mühle ab, natürlich „demontiert“. In Nordhemmern wurde sie an einer geeigneten Stelle wieder aufgestellt. Das war im Jahre 1895. Oben in der eisernen Wetterfahne ist diese Jahreszahl verewigt.

Eickrieden's Bockmühle. Nordhemmern.

Bis 1937 blieb die Mühle in Betrieb. Wenn die Leute zu Weihnachten besonders schönes Kuchenmehl haben wollten, dann sagten sie: „Laß uns mal zur alten Mühle gehen.

Die alte Bockwindmühle wurde im Jahre 1689 in Isenstedt gebaut und diese Zahl ist in einem Balken eingestemmt. Rund 250 Jahre war sie also in Betrieb. Der Wind der Jahrhunderte hat sie angetrieben und die Mahlsteine mußten oft ausgewechselt werden, weil sie stumpf geworden waren. 1937 mußte sie der neuen Zeit weichen, der Eigentümer baute gleich nebenan eine elektrische Mühle.

Aber der alte Eickriede sagte: „In der alten Mühle fühlte ich mich wie auf einem Schiff. Der Wind rauschte in den Segeln und im Herbst heulte der Sturm um den alten Bau. Das war die richtige Mühlenmusik.“

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