Der Krug zu Nordhemmern

Der Krug in Nordhemmern – Pöhler

Aus Dorfheimat Nordhemmern, Wilhelm Helling

 3. Juli 1568: Die erste Gaststättenkonzession weit und breit

Vor Jahren hing noch im behaglichen Gastzimmer der „Wirtschaft im Kruge von Anton Pöhler“ unter Glas und Rahmen ein altes, vergilbtes Schriftstück aus dem Jahre 1568. Schwer nur las man aus den verschnörkelten Worten eine Konzessionsurkunde heraus, die der zu dieser Zeit in Petershagen residierende Bischof Hermann dem ersten Kröger von Nordhemmern, Berndt mit Namen und aus Südfelde stammend, ausstellen ließ.

Mancher der vielen Gäste, die jemals die Wirtsstube zu kurzer Rast und kühlem Trunk betraten, mag buchstabierend und nachdenklich vor dieser Urkunde gestanden haben: Also, um die Mitte des 16. Jahrhunderts schon wurde dieses Gasthaus gegründet und dazu von einem Bischof privilegiert!

Bischof Hermann, der seine Unterschrift unter das Dokument setzte, war der Sohn des Grafen Otto von Schaumburg und wurde im Januar 1567 zum Bischof von Minden proklamiert. Hermann konnte sich nur schlecht mit der Stadt Minden vertragen. Vermittelnd wirkte damals der Ritter Georg von Holle, der auf „Haus Himmelreich“ in Friedewalde saß.

Immer neue Aufgaben gab es für Hermann zu lösen, Streitigkeiten zu schlichten, Recht zu sprechen über Lehens- und Fehdeangelegenheiten und ähnliches. Und dazu kam noch die eigene Bedrängnis von Seiten böswilliger und habgieriger Fürsten und Bischöfe. Wer will es ihm daher verdenken, daß er 1582 seiner Bischofswürde müde wurde. Er kehrte in das Land seiner Väter zurück und zog zur Arensburg, wo er sich mit einem Bauernmädchen vermählte. Als er 10 Jahre später starb und im Kloster Möllenbeck beigesetzt wurde, hinterließ er zwei Söhne.

Der Dorfkrug zu Nordhemmern ist vermutlich der älteste im Kreise Minden-Lübbecke

Aus der Geschichte des alten Dorfkruges, der vermutlich der älteste im Kreise Minden-Lübbecke ist und der an dem früheren Postweg Minden-Rahden lag, wissen wir, daß er 250 Jahre hindurch im Besitz der Familie Rohlfing gewesen ist. Die Männer der Gemeinde, die Bauern und Lehnsmänner, die Handwerker und kleinen Leute waren oft unter sich im Krug beisammen. Sie besprachen dort miteinander bei einem kleinen Schoppen ihre nachbarschaftlichen und wirtschaftlichen Angelegenheiten, ihre mancherlei Sorgen und Nöte, die ihnen seitens der Probstei Minden und des „Hauses Himmelreich“ in Friedewalde in Form von Abgaben sowie von Hand- und Spanndiensten auferlegt wurden.

Bischof Hermann hat all diese Gründe wohl eingesehen und sich den Bittstellern gewogen gezeigt, obwohl er ein Feind aller Auswüchse, war, die möglicherweise in einem Krug vorkommen können. Darum erhob er denn auch in seinem Privileg gegenüber aller Unmoral seinen Finger. Doch lassen wir sein Schriftstück einmal selbst sprechen:

Von Gottes Gnaden …

„Von Gottes Gnaden. Wir Hermann, Postulierter des Stifts Minden, Thun kund und bekennen in Kraft dieses Briefs für uns und unsere Nachkommen am Stift Minden und Jedermänniglich. Dieweil und nachdem itziger Zeit kein Kröger in unserem Durffe Nordhemmern ist, und dannoch den Armen Leuten, so darselbst und umlängst wohnen zum Allerhöchsten vonnöthen, daß diejenigen, so es bedürfen auch ohne daß die gemeinen Wandersleuten zur nothdurft Bier und Getränke haben und bekommen können.“

Es wird uns nun auch der Name des ersten Krögers genannt, denn die Urkunde fährt fort: „Daß wir auf ersuchen und fürbitt guter leute Bernde Sutfelde den Krug und Krugesgerechtigkeit zu Nordhemmer vergünstiget haben. Also wir ihmdenselben hiemit in Kraft dieses Briefes vergünstigen und zukeren, daß er daselbst alle Krugsgerechtigkeit üben und gebrauchen mag, ohne jemandes hinder oder vorbieten, doch in alle Wege, das er unsträflich Bier und Maße habe und durch die seinen geben lasse, auch keine öffentlichen Feinde, Räuber, Mörder oder dergleichen andern zu schaden und nachtheile wissentlich herberge oder Unterschleife gebe, auch mit allem Fleis, daran sei, daß unter seinen Gesten Zank, Unwille, Blutvergießen, Totschlag, öffentliche Schande und Unzucht vermieden bleibe, sondern vielmehr gute ehrliche Fröhlichkeit in Frieden suchen und Ehren gehalten werde.“ Auch Steuern mußten zu jener Zeit von dem Kröger Sutfelde an den Bischof von Minden mit Sitz in Petershagen gezahlt werden, denn es heißt nun weiter: „… und weil in berührten Durffe Nordhemmern kein eigen Krughaus, wollen wir ihm darselbst eine gelegene stede; die er bebauen möge, ausweisen lassen, dargegen hat er uns fünft Thaler zu Weihnkäuffe gegeben und bezahlet,

und so soll uns alle und jedes Jahr, so lange er darselbst kröget, auf Michaelis einen Thaler an unser Haus Petershagen, unverzüglich entrichten und bezahlen, welchen Zins jetzo zunächst kommenden Michaelistag, dieses … “ (Hier endet das Dokument) Im letzten Teil des Briefes wird die Beilegung von etwaigen Konflikten und Unstimmigkeiten zwischen dem Kröger und dem Bischof behandelt, denn es heißt zum Schluß: „Dessen zu wahrer urkund haben wir diesen Brief mit unserem fürstlichen Canzley-Siegel wissentlich befestigen lassen, welcher gegeben ist nach Christi Geburt Tausend Fünfhundt und Acht und Sechzigt den dritten July.“

Das ist also die Vorgeschichte unseres Dorfkruges. Über Nordhemmern mit seinem Kruge sind die Jahre dahingegangen. Freud und Leid, Sommer und Winter, Arbeit und Feier, Krieg und Frieden haben hier ihren Niederschlag gefunden. Mit dem Schankbetrieb war auch eine Bäckerei verbunden, die erste im Dorf. Hinzu kam noch eine Handlung für Gebrauchsgegenstände, so daß der Krug nicht nur auf die Männer, sondern auch auf die Frauen Anziehungskraft ausübte. Als Frau Rohlfing in ihrer Jugend dem Gastwirt Heinrich Pöhler die Hand zum Lebensbunde reichte, sprach man weit und breit vom Gasthaus Pöhler. Zahlreiche Gäste suchten gern eine Unterkunft im Wirtshaus. Als die Minden-Lübbecker Eisenbahn die gelbe Postkutsche entbehrlich machte, richtete die Post im Dorfkrug am 1. Oktober 1892 eine Posthilfsstelle ein, die dort auch heute noch besteht.

Das Gebäude wurde mehrfach an- und umgebaut. Einst standen an der großen Diele des strohgedeckten Hauses die Kühe und Pferde des Krögers und fraßen von der Tenne begierig ihr Futter. Die große, niedrige Stube im Kammerfach war gleichzeitig auch das Schankzimmer. Während die Krögerfamilie an einem Tisch ihre Mahlzeiten einnahm, saßen an einem zweiten die Gäste beim Bier oder sie wärmten sich zur Winterzeit die Füße am breiten, viereckigen Ofen, der von der Diele her mit Holz und Kohle geheizt wurde. Links neben der Stube, von der Diele her zu erreichen, lag der kleine Laden für Brot und Waren.

Das alles ist heute nicht mehr da. Ein 1886 vorgenommener Flügelanbau hat entsprechenden Wandel gebracht und ein großes, helles Gastzimmer sowie mehrere Gästezimmer im zweiten Stock entstehen lassen. Im Jahre 1953 wurde im Gasthof auch eine Zweigstelle der Kreissparkasse eingerichtet.

Ärger mit dem Konzessionsträger hat es nie gegeben. Die Steuern wurden immer pünktlich entrichtet. Sie mussten früher nach Petershagen getragen werden und betrugen genau einen Thaler. Allerdings gab es einmal Schwierigkeiten. Im Jahre 1895 nahm der Pastor Pape aus Hartum, der als großer Eiferer für seine Kirche in den Familien nicht vergessen ist, wegen öffentlicher Tanzlustbarkeiten den Dorfkrug in Kirchenzucht. Er erregte damit den Unwillen großer Teile der Bevölkerung, und am 13. Dezember 1895 schrieb eine Mindener Zeitung einen für die damalige Zeit Aufsehen erregenden Bericht:

Über diesen Zwischenfall aber ging die Zeit dahin. Ein neues Jahrhundert öffnete seine Tore. Das Dorf und seine Menschen blieben in stetem Wandel. Wo früher der Postillion einkehrte und Stunden der Muße suchte, erfreuen sich heute im großen Saal Jugendliche an den Rhythmen moderner Disco-Musik. Die Familie Pöhler verwaltet den Fremdenbetrieb, die Gästeräume und den Tanzsaal, während die Gasträume verpachtet wurden. Im Jahre 1971 übernahm Ludwig Pöhler, ein Enkel

von „Oma Rohlfing“ die Geschäfte. Als gelernter Fachmann, der im In- und Ausland seine Erfahrungen sammelte, wird er die große Tradition des Hauses und der Krögerfamilie fortführen.

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